Wenn Marken zu ähnlich sind

Wenn Marken zu ähnlich sind: Wie schnell aus einer Idee ein Risiko wird

Marken wirken auf den ersten Blick wie kreative Namensideen – bis plötzlich ein Widerspruch vom DPMA oder eine Abmahnung im Briefkasten liegt. Der Grund: Zeichenähnlichkeit. Sie entscheidet, ob Ihre Marke Bestand hat oder verschwindet. Hier erfahren Sie, wie Änhlichkeit wirklich beurteilt wird – und was Sie vor der Anmeldung beachten sollten.

Warum Zeichenähnlichkeit unterschätzt wird

Viele Gründer und Unternehmen glauben, eine Marke sei „einfach der Name, den man sich ausgedacht hat". Doch das Markenrecht schützt nicht nur exakte Kopien, sondern auch ähnliche Zeichen, die beim Publikum den Eindruck erwecken könnten, sie stammten vom selben Anbieter. Schon kleine Unterschiede – ein Buchstabe, ein Bindestrich, eine Endung – reichen oft nicht, um rechtlich sicher zu sein.

Das führt zu einem typischen Szenario: Ein Startup meldet seinen Markennamen an, investiert in Website, Packaging und Werbung – und wenige Wochen später kommt ein Widerspruch, weil eine ältere Marke als zu ähnlich angesehen wird. Ergebnis: neue Marke, neue Domain, neue Designs. Ein teurer Fehler, der sich vermeiden lässt.

Wie Ämter Zeichenähnlichkeit wirklich prüfen

Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) und das EUIPO prüfen nach festen juristischen Kriterien. Entscheidend ist nicht, wie der Markeninhaber den Namen versteht, sondern wie das Publikum ihn wahrnimmt. Drei Fragen sind zentral:

1. Wie sieht das Zeichen aus? (Visuelle Ähnlichkeit)

Das Amt vergleicht die Buchstabenstruktur, Länge und den Aufbau. Besonders wichtig ist der Wortanfang – dort entscheidet sich meist, ob der Verbraucher „hängenbleibt". Beispiel: MEGATOUR und MEGATRAVEL sehen fast identisch aus – und gelten als ähnlich, auch wenn das Ende unterschiedlich ist.

2. Wie klingt es? (Klangliche Ähnlichkeit)

Marken werden häufig gesprochen, nicht nur gelesen – etwa am Telefon, im Radio oder in Podcasts. Auch hier zählt der Gesamteindruck: Silbenrhythmus, Betonung, Lautfolge. INJEKT und INJEX unterscheiden sich nur durch einen Buchstaben – akustisch fast gar nicht. Damit ist die klangliche Ähnlichkeit hoch, auch wenn das Schriftbild leicht variiert.

3. Was bedeutet es? (Begriffliche Ähnlichkeit)

Wenn zwei Marken dasselbe oder ein verwandtes Konzept ausdrücken, liegt eine begriffliche Nähe vor. Beispiel: FLOW und STREAM sind unterschiedliche Wörter, beschreiben aber denselben Zustand – fließende Bewegung. In manchen Fällen reicht schon diese gedankliche Verbindung, um Verwechslungsgefahr anzunehmen.

Andersherum kann eine klare begriffliche Differenz die Ähnlichkeit neutralisieren – etwa bei Picasso (Personenname) und Picaro (spanisch für Schelm). Hier erkennt das Publikum sofort den Bedeutungsunterschied.

Der Gesamteindruck zählt – nicht das Detail

In der Praxis wird die Marke als Ganzes beurteilt. Verbraucher analysieren kein Zeichen Buchstabe für Buchstabe, sondern verlassen sich auf ihren Erinnerungseindruck. Dabei prägen sich Übereinstimmungen stärker ein als Unterschiede. Wenn also zwei Marken denselben Wortanfang oder denselben Rhythmus haben, entsteht schnell ein ähnlicher Gesamteindruck.

Hinzu kommt: Das Markenrecht schützt keine beschreibenden Begriffe. Wer eine Marke mit generischen Zusätzen wie „Green", „Soft", „Bio" oder „Pro" bildet, darf daraus keinen Schutz ableiten. Diese Teile treten zurück – entscheidend ist, was die Marke wirklich individuell macht.

Starke Marken – schwache Marken: Was die Kennzeichnungskraft bedeutet

Die sogenannte Kennzeichnungskraft beschreibt, wie stark eine Marke als Herkunftshinweis wahrgenommen wird. Fantasievolle oder einzigartige Namen wie „KODAK" oder „GOOGLE" haben eine hohe Kennzeichnungskraft. Sie genießen weiten Schutz, und selbst entfernte Ähnlichkeiten können zu Konflikten führen.

Beschreibende oder alltägliche Begriffe dagegen sind schwach. Eine Marke wie „SOFTLINE" für Software oder „GREENMOVE" für Mobilität hat nur begrenzten Schutz. Erst durch intensive Benutzung kann eine schwache Marke stärker werden – etwa, wenn sie im Markt große Bekanntheit erreicht.

Die Praxis folgt dabei der sogenannten Wechselwirkungslehre: Je stärker die Marke, desto weniger darf die jüngere abweichen – und umgekehrt.

EUIPO und DPMA: gleiche Regeln, andere Gewichtung

Grundsätzlich wenden beide Ämter – das EUIPO in Alicante und das DPMA in München – dieselben juristischen Maßstäbe an. In der Bewertung zeigen sich aber Nuancen. Das EUIPO lässt begriffliche Unterschiede häufiger als „neutralisierend" gelten. Deutsche Prüfer achten stärker auf Klang und Schriftbild. Das bedeutet: In Deutschland kann schon eine deutliche Klangähnlichkeit genügen, auch wenn das Wort anders aussieht.

In beiden Systemen gilt der Maßstab des „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers". Das ist keine juristische Floskel, sondern beschreibt genau die Wahrnehmung, auf die es ankommt: Menschen, die Marken im Alltag begegnen, ohne sie zu analysieren – etwa beim Einkaufen, auf Social Media oder im Straßenbild.

Wie Sie Zeichenähnlichkeit praktisch prüfen

Eine fundierte Markenprüfung geht über eine einfache Google-Suche hinaus. Sie umfasst eine Ähnlichkeitsanalyse in allen drei Wahrnehmungsdimensionen. Das Ziel ist, potenzielle Konflikte vor der Anmeldung zu erkennen. In der Praxis helfen folgende Schritte:

  • Recherche vor Anmeldung: Überprüfen Sie, ob ähnliche Marken bereits eingetragen sind – national und EU-weit.

  • Schwerpunkt auf Wortanfänge: Prüfen Sie besonders die ersten Silben und dominanten Buchstabenkombinationen.

  • Bedeutung und Aussprache: Berücksichtigen Sie Fremdsprachen und Dialekte, wenn Ihre Marke international wirken soll.

  • Rechtsvergleich: Lassen Sie Ergebnisse juristisch bewerten – ob eine Marke wirklich „zu ähnlich" ist, hängt vom Einzelfall ab.

  • Monitoring: Nach der Eintagung sollten Sie Ihre Marke regelmäßig überwachen, um neue Konflikte frühzeitig zu erkennen.

Gerade Startups unterschätzen den Aufwand eines Rebrandings. Ein neues Logo ist schnell gestaltet, aber der Verlust von Wiedererkennung und Sichtbarkeit kann langfristig teuer werden.

Fazit: Zeichenähnlichkeit entscheidet über Markenerfolg

Zeichenähnlichkeit ist kein Randthema – sie bestimmt, ob eine Marke rechtlich durchsetzbar ist. Wer ihre Mechanismen versteht, kann kreativer, sicherer und langfristiger denken. Für Gründer, Marketingabteilungen und Agenturen gilt: Eine Marke lebt nicht nur von ihrer Idee, sondern auch von ihrer juristischen Stabilität. Und manchmal reicht eben ein einziger Buchstabe, um aus Schutz ein Risiko zu machen.

Autor: Sylvio Schiller · Kanzlei: b2.LEGAL · Fachgebiet: Markenrecht